Kurzkrimi: Stiefmütterchen

Stiefmütterchen

Fast geräuschlos glitt der letzte Nachtzug aus der Halle. Der Bahnsteig war leer, bis auf einen einzelnen Mann. Er hatte sich eine Zigarette angezündet und starrte dem Zug nach, dessen rote Schlusslichter rasch kleiner wurden. Er inhalierte tief und hauchte eine Mischung aus Zigarettenrauch und kleinen Sauerstoffkristallen in die Nacht. Sie war weg. Erleichtert schnippte er seine Zigarette ins Gleisbett. Wenn sie wüsste, dass er rauchte. Hartmut grinste innerlich. Froh, endlich wieder alleine zu sein. Er liebte seine Mutter, denn  das tut man ja schließlich als Sohn. Aber sie konnte so unglaublich anstrengend sein und behandelte ihn mit 30 Jahren immer noch wie ein Kleinkind. Kontrollierte ihn, roch an ihm, ob er sich gewaschen habe, ob er geraucht hatte. Übernahm die Führung seines Lebens, zwang ihm ihren Willen auf, denn als Mutter wusste sie natürlich, was gut für ihn war.

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