Nachdem ich meine Leser in den letzten Tagen mit Sachbüchern malträtiert habe, möchte ich heute eine kleine Kostbarkeit, eine zarte poetische kleine feine Geschichte hier vorstellen. Gemeint ist das Buch “Der Trafikant” von Robert Seethaler.
Die melancholische Geschichte über den Bauernbuben Franz, der 1938 von seiner Mutter nach Wien geschickt wird, um eine Lehre in einem Zeitungs- und Tabakladen namens “Trafik” zu absolvieren. Es ist die Zeit um 1938, kurz vor dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich. In Wien trifft Franz sogleich auf Sigmund Freud 😉 und zwischen den scheinbar ungleichen Männern – der Bauernjunge und der Gelehrte – entwickelt sich eine intensive Freundschaft.
Natürlich verliebt sich der gute Franz auch in die Varietétänzerin Anezka und es ist sehr witzig, wie selbst Freud mit seinen Ratschlägen am Mysterium Frau scheitert ;-), aber mehr möchte ich nicht verraten – das Buch ist in jedem Falle absolut lesenswert, beim Lesen entstehen unglaubliche Bilder im Kopf, die kein Film der Welt besser zeichnen könnte. Es ist ein sehr intensives, sprachlich auf höchstem Niveau geschriebenes, leichtes, zartes Buch – eine literarische kleine Kostbarkeit vom Feinsten!
Der erste Satz:
An einem Sonntag im Spätsommer des Jahres 1937 zog ein ungewöhnlich heftiges Gewitter über das Salzkammergut, das dem bislang eher ereignislos vor sich hin tröpfelnden Leben Franz Huchels eine ebenso jähe wie folgenschwere Wendung geben sollte.”
Herrliches Zitat über Zigarren (Seite 29) – Otto Tresnijk ist im übrigen der Besitzer der Tabaktrafik, wo Franz seine Lehre in Wien absolviert:
“Eine schlechte Zigarre schmeckt nach Pferdemist”, sagte Otto Tresnijk, “eine gute nach Tabak. Eine sehr gute Zigarre jedoch schmeckt nach der Welt.”
Nochmals Otto Tresnijk (Seite 33):
“Ein guter Trafikant verkauft nicht einfach nur Tabak und Papier”, sagte Otto Tresnijk und kratzte sich mit dem hinteren Ende der Schreibfeder an seinem Beinstumpf. “Ein guter Trafikant verkauft Genuss und Lust – und manchmal Laster.”
Fazit: Unbedingt lesen, die atmosphärische, zauberhafte und leichte Sprache genießen und wieder mal zahlreich verschenken 😉 – ist ja zum Glück ein Taschenbüchlein …